Ein Schock fährt uns durch Mark und Bein. Was, schon 28 Jahre? War es nicht erst gestern, als der blutjunge Cillian Murphy ungläubig aus dem Krankenhaus ins vom „Wutvirus“ leergefegte London stolperte? „28 Days Later“ (2002) hat uns tief beeindruckt und 23 Jahre vergangen wie im Flug, bis ein atmosphärisch knalldichter Trailer die frohe Kunde virulent in die Welt trug: es geht weiter! Alex Garland und Danny Boyle sind optimistisch und knüpfen nicht nur mit einem Streifen an, sondern folgen dem Franchise-Trend mit einer kompletten Trilogie. Eine gute Idee?
Inhaltsverzeichnis
Die Handlung

Gefangen mit Spießen und mit Stangen (Foto: Sony Pictures)
28 Jahre nach dem Ausbruch des „Wutvirus“ auf den britischen Inseln wurde der Großteil der dortigen Bevölkerung ausgelöscht. Infizierte sowie die wenigen Überlebenden wurden unter Dauerquarantäne gestellt und damit vom Rest der Welt abgeschirmt. Schwedische Schiffe patrouillieren vor der Küste, um Flüchtende abzufangen.
Auf einer kleinen Gezeiteninsel im Norden Englands fand eine Gruppe von Menschen Zuflucht. Ein schmaler, scharf bewachter Damm verbindet das Dorf bei Ebbe mit dem Festland. Teils spartanisch, doch gemeinschaftlich organisiert, haben sie dort alles, was sie zum Leben brauchen. Kinder werden schon früh im Umgang mit Pfeil und Bogen trainiert.
In diesem scheinbaren Idyll lebt Familienvater Jamie (Aaron Taylor-Johnson) mit seinem zwölfjährigem Sohn Spike (Alfie Williams) und seiner wahnhaften, bettlägerigen Frau Isla (Jodie Comer). Nach Brauch der Gemeinde, ist es Initiationsritual für junge Männer, aufs Festland zu gehen um dort den ersten Infizierten zu töten.
Voller Erwartung begleitet Jamie Spike an diesem Tag, während das Dorf eine opulente Feier für deren Rückkehr vorbereitet. Vor Angst und Druck erwischt Spike jedoch nur einen „Kriecher“ und versagt, als sie auf eine Horde treffen. Versteckt in einer Ruine entdeckt er jedoch ein Feuer in der Ferne, entfacht von dem angeblich verrücktem Arzt Kelson (Ralph Fiennes), wie er später erfährt.
Zurück im Dorf, gefeiert für die erlogenen Heldengeschichten des Vaters, wendet er sich ab und beschließt, seine kranke Mutter mit Hoffnung auf Heilung zu dem Feuer zu führen. Allein mit der schwachen Frau bricht er auf, und beginnt damit seine eigentliche Reise zum Erwachsen werden.
Filmkritik „28 Years Later“

Skinny Noris, oder? (Foto: Sony Pictures)
Die Erwartungen hätten an „28 Years Later“ nicht größer sein können, für eine Fortsetzung eines Kultfilmes, der ein so breites Publikum ansprach. Alex Garland und Danny Boyle im Teamwork, sowie das brillante Merchandising, lockte Massen von ZuschauerInnen bereits am ersten Wochenende in die Lichtspielhäuser. Ist es gelungen? Jain.
Faktencheck: Konsequent werden hier die Geschehnisse von „28 Weeks Later“ (2007) ignoriert. Die Infizierten sind nicht verhungert, die NATO hat absolut Nichts wiederaufgebaut, genetische Immunität ist erstmal kein Thema, ebenso wenig ein Übergang auf Frankreich. Sinnvoll!
Aber starten wir euphorisch mit dem, was uns restlos von den Socken gehauen hat: Während „28 Days later“ ohne Genehmigung mit Handkamera 4 Uhr morgens in London gedreht wurde, bedient sich Danny Boyle nun ähnlichen alternativen Mitteln um ungewöhnliche und radikale Perspektiven zu erzeugen. Durch die Nutzung von in Reihe geschalteten iPhones in Kombination mit massiven Objektiven erzeugt er Hochglanzszenen sowie verstörende Nachtaufnahmen. Schönheit und Schrecken stehen seinen Bildern im malerischen England stets kontrastreich gegenüber.
Erzählerisch starten wir hier ebenfalls mit einer spektakulären Einstiegssequenz. Verwirrte Kinder werden mit einer Teletubbie-Folge in einen Raum gesperrt, während Infizierte um sie herum alles niederreißen. Während Tinki Winki sein Lied singt, bricht auch dort das Chaos aus. Blut spritzt auf den Bildschirm. In den ersten Minuten wird hier kompromisslos klar gemacht: Hier werden keine Grenzen gezogen – auch nicht vor Kindern. Symbolschwanger führt man hier das einzig entflohene Kind Jimmy ein, das für das Ende und die folgenden Teile Bedeutung haben wird.

Ich brauche ein paar Türwitze (Foto: Sony Pictures)
Das Jahre später stattfindende Geschehen im scheinbar harmonischen Refugium der Insel ist ebenfalls geprägt von starken Gegensätzen. Mit befremdend entmenschlichenden Masken als Ziel werden die Kinder mit Waffen zur Wehr gegen Infizierte trainiert. Die fast archaisch lebenden Menschen sind zufrieden und organisiert, und doch umhüllt den Betrachter ständig das nagende Gefühl eines Unbehagens, nicht zuletzt durch das fragwürdige Initiationsritual, welches das „Mannwerden“ durch Töten definiert. Drehbuchautor Alex Garland lässt hier sein wiederholtes Motiv der Gefahr durch toxische Männlichkeit einfließen, wie z.B. bereits in seiner provokativen Produktion „Men“ (2022).
Als Jamie und Spike über den malerischen Damm bei Ebbe ins Festland gelangen, ist der geneigte Zuschauer zu Recht maximal unter Anspannung. Was wurde aus den Infizierten nach 28 Jahren? Und das ist wirklich herausragend. Das Virus hat evolutionäre Schritte eingeleitet und zwei Varianten entwickelt: die dicken, schleimigen „Kriecher“, die sich überwiegend von Würmern ernähren, sowie die „sozialisierten“ Gruppen, die in Hierarchie lebend sogar sogenannte „Alphas“ entwickelten. Groß, athletisch und mit einem erwähnenswerten großen Penis spiegeln auch sie die Gefahr in der Personifizierung zugespitzter, aggressiver Männlichkeit wider.
Die Einführung in diese Welt ist mitreißend konzipiert. Vom Storytelling bis hin zum Sounddesign verliert man sich leidenschaftlich blind in dieser postapokalyptischen Normalität. Schwierig wird es, als Spike, der in diese Welt hineingeboren ist, mit dieser Situation bricht, und beschließt, seinen eigenen Weg zu gehen. Als er mit seiner Mutter auf Dr. Kelson trifft, erleben wir einen hochgradig bewegenden Moment des Abschieds sowie gleichzeitig die kluge, alternative des Lebensweise des Hippie-Arztes. Die sogenannte neue Normalität ist folglich individuell erschaffen und muss nicht vom Töten dominiert sein.

Schicke Knochentapete (Foto: Sony Pictures)
Von hier an geht es jedoch nur noch steil bergab: Nach einer fragwürdigen Zombie-Entbindung, wird das Kind ohne jegliche Ansteckungsangst aufgenommen. Spike gelangt ohne den Hauch einer Gefahr zurück zum sonst 24/7 bewachten Tor, um das Neugeborene dort unbemerkt abzulegen? Warum folgte ihm sein Vater nicht vorher und auch nicht jetzt? Wie schafft er es, so plötzlich allein zu überleben, obwohl er beim ersten Anlauf nach drei Metern fast weggeknuspert wurde? Warum endet der Film im Slapstick mit einer Gruppe Hipster aka Jimmy’s Gang, die einen auf Jacky Chan im Slasher-Modus macht? Und überhaupt: Warum zur Hölle werden Menschen in Großbritannien einfach sich selbst überlassen und man interveniert nicht, obwohl der Virus mutiert und Vögel, Fische oder Insekten, die das Festland verlassen könnten, befallen sein könnten? Fragen über Fragen. In etwa, als hätte man am Ende die Lust verloren, oder angefangen Dope zu rauchen.
Die Versionen
Im Vergleich zum ersten Teil könnte man annehmen, dass das hohe Budget uns eine weichgespülte Hollywoodversion serviert. Aber weit gefehlt! Die visuelle Rohheit schlägt uns ohne Vorwarnung und Kompromisse ins Gesicht. Bei einer Länge von einer Stunde und 55 Minuten ist ein R-Rating bzw. eine Altersfreigabe ab 18 Jahren angemessen. Ob Alphazombie oder Wurmfresser, hier kriegt jeder mal ordentlich was in die Weich- und Hartteile.
Der 2. Teil, „The Bone Temple“ ist bereits für den 16. Januar 2026 geplant. Regie soll Nia Da Costa („Candyman“ 2020, „The Marvels“ 2023) übernehmen, was ebenfalls angesichts ihrer bescheidenen Historie etwas kritisch stimmt. Immerhin wird sich Cillian wieder einreihen, was die Neugier und Besucherzahlen vermutlich trotzdem hochhalten wird.
Das Urteil von Horrormagazin.de
Ein fulminanter Auftakt gefolgt von einem Abgang, der wirr und voller Ungereimtheiten einen unübersehbaren Bruch im ersten Teil der Trilogie darstellt. Immerhin wird ordentlich gewütet und gemetzelt, und das mit einem herausragenden 13-jährigen Hauptdarsteller. Seine Leinwandpräsenz zwischen Zombiekalypse und Coming-of-Age-Drama ist stark und einnehmend. Die Symbolik, Brutalität und Dynamik der Geschichte hat trotz der heftigen Patzer genug Potential, dass man ein breites Grinsen im Gesicht hat und nostalgisch-infiziert dem Januar entgegenfiebert.

Der offizielle Trailer zum Film "28 Years Later"
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