12.02.2014

Komplizierte Filmfreigabe: Wie sich Deutschland beim Jugendschutz verheddert

Komplizierte Filmfreigabe: Wie sich Deutschland beim Jugendschutz verheddert

FSK, SPIO-Kommission, Bundesprüfstelle – wenn es darum geht, Jugendliche vor dem Bildschirm zu schützen, hat jeder was zu melden. Nur was? Und wonach richten sich die Beteiligten? Wir haben uns für euch durch die Gesetze gewühlt und die Antwort gefunden.

Der zornige Alte grummelt etwas und drückt ab …

… es knallt. Jemandem fliegt der Kopf weg. Fontäne. Alles rot. Ist ja nur ein Film. Es gibt Selbstjustiz und Gewalt, die selbst abgebrühten Zuschauern den Magen strapaziert und tolerante Filmfreunde etwas ratlos zurücklässt. Und manchmal weiß man schon bei Erscheinen eines Films, was mit ihm später passieren wird.

Vor ein paar Jahren gab es so ein Beispiel. Ein ziemlich heftiger Film erschien, und die Quittung kam prompt von Vater Staat. Nachdem das Stück bei der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft keine Chance hatte, hat es die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) auf der berühmt-berüchtigten Liste B indiziert. Allein deshalb dürfen wir den Film nicht nennen. Wir geben ihm deshalb den falschen Namen „Alles wird gut“.

Damit ist der Film selbst zwar nicht zensiert. Allerdings bin ich als Autor und Journalist in meiner Berichterstattung empfindlich eingeschränkt. Über Kriegsverbrechen, Amokläufe und Männer, die Frauen jahrzehntelang einsperren und quälen, darf ich schreiben. Über indizierte Filme nicht.

Nun muss ich auch fairerweise einräumen, dass diese Zensur einen Grund hat, den ich später noch erkläre. Den kann man akzeptieren oder als staatliche Willkür ablehnen. Dieser Bericht soll das nicht entscheiden. Er zeigt lediglich die Fakten.

Und Achtung, es wird kompliziert

Es ist typisch deutsch, wie sich unser Land bei Jugendschutz und Filmen anstellt. So gibt es allein vier Symbole, die zeigen, dass ein Film nur für Erwachsene ist: eins von der Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, der FSK (ab 18 Jahre), zwei von der Juristenkommission der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO/JK) – und eben gar keins. Zudem darf die BPjM Filme auf den Index setzen, und die Staatsanwaltschaft darf bestimmte Ausgaben eines Films beschlagnahmen. Alles klar?

Die fünf FSK-Siegel

Die fünf FSK-Siegel

Wer Sinn und Zweck dieses Chaos verstehen will, muss sich die gesetzlichen Grundlagen und Gedanken dahinter ansehen. Denn fast für jede Stufe und jede Maßnahme greift ein anderes Stück Gesetz. Wichtige Elemente stehen im Jugendschutzgesetz (JuSchG) und im Strafgesetzbuch (StGB). Das JuSchG legt in Paragraf 12 schon mal fest, dass Minderjährige nur Filme oder Computerspiele in die Hand bekommen dürfen, wenn eine „oberste Landesbehörde oder eine freiwillige Selbstkontrolle“ sie freigegeben und gekennzeichnet haben. Im täglichen Leben ist das der Job der FSK.

Die Altersstufen stehen übrigens in Paragraf 14 des JuSchG. Paragraf 12  stellt außerdem klar, dass selbst Eltern sich strafbar machen, wenn sie sich nicht an die Altersfreigaben halten. Was auch jene Mutter erfahren musste, die ihre – deutlich zu jungen – Kinder in den Kuschelbär-Film „Ted“ in ein kleines Kino im schleswig-holsteinischen Schwarzenbek mitnehmen wollte. Sie konnte sich aufplustern und als Herrscherin über ihre Kinder aufspielen, wie sie wollte. Am Ende zog sie mit langer Nase ab. Genau genommen hatte sie der Kinobesitzer vor einer Straftat bewahrt. Und sich selbst vor einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro.

Den einzigen Spielraum lässt das Gesetz bei der FSK-Freigabe ab 12 Jahre. Solche Filme dürfen auch jüngere Kinder ab sechs Jahre sehen, wenn ein Elternteil dabei ist. Wobei sich das alles ausdrücklich auf die Öffentlichkeit bezieht. Was Eltern ihre Kinder zu Hause gucken lassen, ist Privatsache. Hier greift das Gesetz nicht.

Manchmal ist die FSK sehr milde

Django Screenshot (Quelle: FSK)

Django Screenshot (Quelle: FSK)

Andreas Diehn war einige Jahre Besitzer des Filmladens „Hard to get“ in Hamburg. Hier gibt es die richtig seltenen Teile, selbst die, bei denen die FSK nur noch müde abwinkt. Also auch „Alles wird gut“. Diehn ist ein stabil gebauter, ausgeglichen wirkender Mann. Er hat fast alle Filme auf dem Radar – und er findet die FSK-Regelung gut. „Irgendeine Linie für das Filmangebot ist sinnvoll“, sagt er. Insofern sei der Grundgedanke schon okay. Allerdings haue im Detail einiges nicht hin. „Ich frage mich häufig, warum manche Filme keine Freigabe von der FSK bekommen, andere aber frei ab 16 Jahren sind.“ Beispiele seien der erste Teil von „Wrong turn“ sowie Teil 1 und 2 von „Final Destination“. Eine Freigabe ab 18 Jahren fände Diehn in diesen ziemlich blutigen Fällen eher angemessen.

Interessant ist hier ein Blick in die Texte, mit denen die FSK ihre Urteile auf ihrer Website begründet. Die beiden ersten „Final Destination“-Teile sind hier nicht mehr abrufbar. Dafür aber Quentin Tarantinos „Django unchained“. Hier begründet die FSK die – ziemlich tolerante – Freigabe ab 16 Jahren damit, dass „die Gewalt stark stilisiert und fast schon comichaft überzogen“ sei, sodass „Jugendliche ab 16 Jahren eine ausreichende emotionale Distanz wahren können“. Nun ja, das mag sein. Aber was ist mit der Gewalt in „Planet Terror“, den die FSK nur gekürzt ab 18 Jahren freigab? Die können Jugendliche nicht richtig einordnen? Weil Zombies ja zu unserem täglichen Leben gehören und der Film deshalb wie eine Doku oder Anleitung zur Gewalt wirkt? Hier misst man mit zweierlei Maß. Filmfreigaben ab 18 Jahren oder gar Ablehnungen braucht die FSK übrigens nicht zu begründen. Und tut es auch nicht.

Bis hierhin sind die Spielregeln noch recht klar. Interessant wird es dagegen, wenn die FSK einen Film nicht freigibt. Denn dann beginnen die juristischen Spitzfindigkeiten.

Anmerkung vom 22. Dezember 2015: In einer früheren Version des Textes entstand der Eindruck, dass FSK-Freigaben generell – also auch im Privaten – gelten. Das ist nicht richtig. Sie gelten nur in der Öffentlichkeit, nur hier greift das Jugendschutzgesetz. Wir haben den Fehler korrigiert.

 

Lest im zweiten Teil der Geschichte, wie Filmverleihe mit Behörden und Justiz fingerhakeln und Paragrafen wälzen.

Über den Autor Martin Riggs

Sein Pseudonym hat er von Martin Riggs aus "Lethal Weapon" entliehen, einer seiner liebsten Filmfiguren. In seiner Freizeit widmet er sich leidenschaftlich gern dem Thema Kino, unter anderem allem, was ihm eine Gänsehaut oder ein Lachen beschert.
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